Von Asien nach Europa im Laufschritt

Nachdem Thorsten Offer beim diesjährigen Marathon in Köln noch als Zugläufer etliche Marathonläufer sicher unter die Schallgrenze von 3:30 Stunden geführt hatte, dann beim Röntgenlauf nochmals die Marathonstrecke verfrühstückte, gönnte er sich den Istanbul-Marathon zum Abschluss seiner Marathonsaison. Hier sein Bericht, für den wir uns sehr bedanken.

“Zum Ausklang des Jahres einen Marathon in Istanbul – warum denn eigentlich nicht? Wer die Metropole kennt, der weiß um ihre Schönheiten; in keiner anderen Stadt prallen nämlich so sehr islamische Kultur und europäische Moderne aufeinander.

Der Marathon und seine Parallel-Veranstaltungen (ein 15km- Lauf, ein 10km-Lauf, sowie eine Art Fun-Walk mit mehreren zehntausend Teilnehmern über 8km) legte für einen Tag die gesamte Stadt buchstäblich lahm. Klar, dass für die Organisation dieses Events nur die Gemeinde Istanbul in Frage kam – in Deutschland wäre so etwas kaum genehmigungsfähig.

Der Start aller Strecken war dabei auf der asiatischen Seite, unmittelbar am Anfang einer der beiden großen Brücken, die Europa und Asien verbinden. Dies bedingte einen aufwendig organisierten Bustransfer von der Istanbuler Innenstadt (einmal in der Altstadt, zwischen Hagia Sophia und der Sultan Ahmet Moschee sowie zusätzlich vom bekannten Taksim-Platz) raus auf die asiatische Seite – der Hermannslauf lässt grüßen.

Am Samstag zuvor erreichte Wilfried und mich die Meldung, dass aufgrund der Befürchtung, die Brücke könnte einstürzen, der Start neutralisiert würde und erst auf der europäischen Seite gelaufen werden dürfte. Sogar der Kölner Stadtanzeiger sonderte seine Meinung dazu ab. Nichts deutete am Start jedoch auf den Versuch hin, die zehntausenden von Läufer zu bremsen. Nach einer emotionalen Begrüßung der internationalen Läufer, ein paar motivierender Worten des Bürgermeisters und der mit Inbrunst vorgetragenen türkischen Nationalhymne, wurden die Marathon-Distanz, die 15km und 10km gemeinsam losgeschickt.

Die ersten zwei Kilometer über die Brücke lassen sich kaum anders als „traumhaft“ bezeichnen. Bei bestem Wetter öffnete sich zur Rechten der zum Schwarzen Meer enger werdende Bosporus, an dessen Hängen sich dort die noblen Vorstädte befinden. Zur linken sah man in der Ferne das berühmte Panorama des Istanbuler Stadtzentrums; die dichtgedrängten Minarette der Hagia Sophia und der Blauen Moschee, die Mündung des Bosporus in das Marmarameer, das Goldene Horn und die vorgelagerten Stadtteile Beyoglu und Besiktas. Phantastisch!

Etwas ungewohnt jedoch waren die Straßenverkäufer, die bereits bei KM 3 palettenweise Wasserflaschen an den Straßenrand gekarrt hatten. Zwar waren Straßenhändler, die mit ihren Bauchläden im Startblock Tee und Gebäck verkauften noch verständlich. Jedoch erscheint der Versuch Wasser an die Läufer zu verkaufen etwas übertrieben; alle 2,5km gab es nämlich Wasser- und Verpflegungsstände.

Nachdem wir von der Brücke in Richtung Besiktas abgebogen sind (an KM 8 geht es unmittelbar an der Baustelle des Stadions des dort ansässigen Fußball-Clubs vorbei), führte die Strecke entlang an Palastanlagen (Dolmabache-Palast) in Richtung Karaköy. Es folgte ein weiteres Highlight: Die Querung der Galata-Brücke, eines der Symbole Istanbuls. An den benachbarten Anlegern legen alle relevanten Personenfähren an, die die südlichen Stadtteile der asiatischen Seite mit der europäischen am bequemsten verbinden (mal abgesehen von der neuen U-Bahn).

An dieser Stelle ereignete sich auch einer der Momente des Laufs: Ein Straßenhund, von denen es wie Katzen so viele in Istanbul gibt, nutzte die Gelegenheit der verkehrsfreien Straße und lief zur Belustigung der Mitläufer rund einen KM mit uns mit. Am Verpflegungsstand schnappte er glatt einer Helferin einen Schwamm aus der Hand. Bei der Abzweigung zwischen 15km und Marathon stoppte der Hund und entschied sich doch, mit den 15km-Läufern gen Ziel zu ziehen.

Ehe die 15 km Läufer ins Ziel geführt wurden, bog der Marathon auf eine extra Schleife ab. Über den Attatürk Boulevard, einer sonst chronisch verstopften Hauptverkehrsader Istanbuls, wurden die Marathonläufer durch das berühmte Aquädukt hindurch an die Küstenstraße unmittelbar am Mararmara-Meer geführt. Von nun an führte die Strecke bis KM 28 am Marmarameer hinaus, ehe es auf der gegenüberliegenden Straßenseite wieder in Richtung Ziel, also der Hagia Sophia ging. Die Uferstraße war, abgesehen vom Wind wunderbar zu Laufen; zur Rechten das Meer, entfernt die asiatischen Stadtteile Kadiköy und Üsküdar, riesige Tanker, die in den Bosporus einfuhren und dazwischen Fischerboote und Personenfähren. Voraus und sich langsam wieder nähernd die Minarette der Blauen Moschee und der Hagia Sophia auf dem Hügel, wo nachher das Ziel sein sollte.

Dass Istanbul eine selbstverständlich islamisch, aber dennoch „moderne“ im Sinne von „westlich“ geprägte Stadt ist, lässt an vielen Dingen erkennen. Sichtbarste Zeichen dessen sind die erheblichen Baumaßnahmen, die von der Regierung vorangetrieben werden. Überall lassen sich Großplakate mit den Konterfeis Erdogans und des Bürgermeisters von Istanbul (beide AKP) bewundern, die über den raschen Ausbau der Metro-Linien zeugen. Dass dies auch mit dem Abriss ganzer Stadtviertel einhergeht, konnte man im Sommer den Nachrichten auch in Deutschland entnehmen. Gleichzeitig ist Istanbul natürlich islamisch geprägt. Moscheen beherrschen das Stadtbild, gleich den Kirchen in Rom. Entsprechend schallte es bei KM 35 aus den zahlreichen Lautsprechern, der vielen Moscheen zum Mittagsgebet; fast so wie beim Kölner Halbmarathon um 10 Uhr auf der Domplatte die Glocken des Doms.

Die letzten beiden KM hatten es in sich. Die Strecke führte bis Eingangs des Goldenen Horns auf der Uferstraße entlang, zur Linken war der Zielhügel gelegen; über Kopfsteinpflaster gelangten die Läufer erst in den Gülhane Park, dem Parkgebiet außerhalb der Mauern des berühmten Sultanpalastes Tokpaki, in dem die Osmanischen Herrscher nach dem Fall Ost-Roms residierten. Nachdem das Tor des Parks passiert wurde, führte eine steile Rampe über die letzten 500m hoch ins Ziel. Hier herrschte sogar so etwas wie „Alp D’Huez“-Feeling. Die Zuschauer, doch alles Touristen, die ihre Angehörigen unterstützten bejubelten die Läufer enthusiastisch.

Nach 3 Std. 29 Minuten, sichtlich gezeichnet noch vom Röntgenlauf bog ich auf die Zielgerade ein, ins alte Hippodrom. Das Ziel befand sich unmittelbar zwischen der Hagia Sophia und der Blauen Moschee, einer der wichtigsten und schönsten Moscheen in der islamischen Welt. Ein großartiges Ambiente.

Fazit: Der Istanbul-Marathon ist für einen Stadt-Marathon sehr schwierig zu Laufen. Die Strecke ist wunderschön, jedoch mitunter mit (einigen wenigen jedoch) bösen Steigungen versehen und extrem windanfällig. Wer aber mal was anderes sucht, eine tolle Finisher-Medaille abräumen und gleichzeitig eh mal plant in Istanbul ein paar Tage zu verbringen, der sollte diesen Lauf mitnehmen!”