Ein etwas anderer Nachruf auf unseren verstorbenen Sportfreund Hans Wahlen

Dieter Keil und Hans Wahlen haben sehr außergewöhnliche Herausforderungen gewählt und gemeinsam gemeistert. Dieter erinnert sich:

“Ultreia (alter Pilgergruß: Vorwärts, immer weiter)

Jeder aus unserer Langlaufgemeinschaft, der beabsichtigt, einen Marathon zu laufen bzw. gelaufen ist, weiß welche körperliche und geistige Vorbereitung erforderlich ist, um ein solches Abenteuer zu bestehen. Man will letztendlich eine gute Zeit laufen.

Hans Wahlen (Jhg.1927) und ich hatten uns schon früh Gedanken darüber gemacht, welche andere Möglichkeit des “Langlaufens” es gibt, bei der nicht die Zeit das Ziel ist.
Wir hatten die ldee, es mit “Langstreckenwandern” zu versuchen, einer Spielart des “Langlaufens”, bei der der Weg das Ziel ist. Unter Langstreckenwandern haben wir dabei nicht an ein längeres Wandern an einem verlängerten Wochenende gedacht. Wir wollten mehr. Es sollte uns schon körperlich und geistig fordern.

Hans, der schon viele große Wanderungen in den Alpen und in Lappland durchgeführt hatte, kam auf die ldee einer Alpendurchquerung. Diesen Gedanken haben wir 1993/94 aufgegriffen und sind auf der Grande Traversata delle Alpi (GTA) in 55 Tages-Etappen von Molini im Anzasca- Tal (Schweiz) bis nach Menton (Frankreich) am Mittelmeer gewandert.
Der Weg durchzieht den gesamten Westalpenbogen und durchquert die Walliser, Grajischen, Cottischen, Seealpen und ligurischen Alpen. Einen Teil des Weges hat uns Christoph Kräber
begleitet.
Es war eine fantastische Tour durch unerschlossene Alpengebiete auf Maultier-und Almwegen. Wir waren die einzigen Wanderer und wurden von den Menschen in den Tälern oder auf
einsamen Almen bestaunt, (als kämen wir von einem anderen Stern) als sie von unserem Wandervorhaben hörten. Übernachtet haben wir in einfachen Hütten, teilweise auch in verlassenen Almen. Unsere wichtigsten Ausrüstungsgegenstände waren ein Biwaksack, ein Schlafsack und natürlich ein Spirituskocher.

Auf Grund der Charakteristik des Weges hatten wir am Ende der Tour ca. 50000 Höhenmeter und 1000 km bewältigt und haben uns zufrieden und glücklich über unsere Leistung ein paar schöne Tage am Mittelmeer gegönnt.

Ein weiterer Höhepunkt unserer Langstreckenwanderungen war 1998/2004 eine Pilgerwanderung auf dem Jakobsweg von Le Puy-en-Velay (Frankreich) nach Santiago de Compostella in zweiAbschnitten mit insgesamt ca. 1500 km.
Auch hier war Hans der lnitiator, der den Jakobsweg mit Willy Pauly mit dem Fahrrad gefahren war. Für den Beginn unserer Pilgerreise hatten wir den 15.4.98 gewählt, um die zu erwartende
große Sommerhitze in der Meseta zu vermeiden. Unser erster Pilgerabschnitt sollte in Saint-Jean-Pied-de Port (CaminoFrances) beginnen. Es war sehr schlechtes Wetter auf der
ersten Etappe über die Pyrenäen – Regen, Schnee, starker Gegenwind und Schneematsch, der bis über die Knöchel reichte. Das richtige Wetter um in Demut die Pilgerreise zu beginnen. Man
kann sagen, dass das Wetter neben der Länge des Weges die größte Herausforderung darstellte. Es gab sehr viel Regen, Wind und Schnee, aber auch schöne und heiße Tage; man befand sich ja auf einer Hochebene.
Wir wurden aber auch entschädigt durch den Anblick auf die herrliche Landschaft, wunderbare Kirchen und Klöster mit fantastischen Kunstschätzen z.B. in Pamplona, Burgos, Leon und natürlich in Santiago.
Übernachtet haben wir grundsätzlich in Pilgerherbergen um immer Kontakt zu anderen Pilgern zu haben, die z.B. aus England, Frankreich, lrland, Belgien und Brasilien kamen. Jeder pilgerte für sich und abends wurden Erfahrungen ausgetauscht und gemeinsam gekocht. Gefrühstückt wurde in der nächsten erreichbaren Dorfbar. Der Weg führte durch das Bergland des Aubrac und die Hügel der Gascogne immer auf dem französischen Fernwanderweg GR65.
Auch hier hatten wir mit dem Wetter zu kämpfen. ln Aubrac auf 1300 m Höhe kamen wir in tiefen Schnee und starkes Schneetreiben. Einen Tag später im Talwar Frühling.
Herausragende Sehenswürdigkeiten auf diesem Weg waren die Eglise de Perse in Espalion, die Abteikirche in Conques, die Valentrebrücke in Cahors und die Benediktinerabtei in Moissac.

Leider konnte Hans nicht den gesamten Weg gehen. Seine Knie- und Rückenbeschwerden waren so stark, dass er in Cahors die Heimreise antreten musste. Ich habe mich dann einem französischen Pilger angeschlossen, der mit mir bis zum Schluss gewandert ist. Ohne Telefon, Radio und Fernsehen war diese Pilgerreise ein Weg der Selbstfindung den jeder gehen sollte.”

Dieter Keil (Jhg.1934)