Berlin, Chicago ….. hier der Laufbericht

Helmut Buscham lässt uns an seinen Erlebnissen rund um den Chicago-Marathon teilhaben:

Chicagomarathon 7. Oktober 2018

Warum Chicago wo doch am gleichen Tag der Kölnmarathon über die Bühne gehen sollte?? Vaterlandslose Gesellen?

Wir, mein Freund Dirk Lampe und ich, wollten uns zu unserem 60sten Geburtstag etwas Besonderes gönnen. Der Chicago Marathon gehört mit 45.000 Teilnehmern zu den big six der Szene (neben Boston, NYC, London, Berlin und Tokyo). Dirk ist mir altersmäßig zwei Tage voraus , hat also schon vor mir den Berg erklommen und in das weite, vor ihn liegende Tal geblickt. Von seiner sportlichen Seite ist er eher Radrennfahrer (Hamburg cyclassics, Niedersachsenrundfahrt, Alpenüberquerungen) und ist seinen einzigen Marathon vor 14 Jahren in Köln am Rhein gelaufen. Wir haben über ein Lüneburger Reisebüro ein Komplettpaket Startplätze, Flug, Hotel plus eine Woche Extra Chicago gebucht. Unsere beiden Herzensdamen Gudrun und Gaby waren zu unserer Unterstützung dabei.
Der Flug nach Chicago/Illinois O´Hare- Airport (benannt nach einen im Krieg abgeschossenen Flieger und Sohn eines Al Capone-Anwaltes) erfolgte mit American Airways – Umsteigen in Charlotte/North-Carolina eingeschlossenen.

Das Congress-Plaza Hotel aus dem Jahre 1893 hatte lange Flure, die an den Film The Shining erinnerten (man erwartete jeden Moment , dass Jack Nicholson mit der Axt in der Hand um die Ecke kommen würde). Die Hotellobby sehr prächtig mit Marmor, Gold, Spiegel und Ledersessel. Die Lage super: wenige Minuten vom Grant Park entfernt (Start und Ziel des Laufes).

Chicago ist eine Stadt für New York Fans: Viele Hochhäuser, breite Straßen, aber wenige Menschen in den Straßen und Geschäften. Voll wurde es erst, als ab Donnerstag die Marathonis aus aller Welt anrückten. Viel Kultur: Geschichte der Architektur ( in Chicago entstanden nach dem großen Brand von 1871 die ersten Hochhäuser/Wolkenkratzer), Chicago Blues ( wir waren in Buddy Guy`s Blues Legend`s Musikkneipe), Jazz ( nur Straßenmusikern zugehört), Chicago Symphony Orchestra (Konzert mit Riccardo Muti als Dirigent), Museen (u.a. Geburtshaus von Ernest Hemingway), Straßenleben, Essen und Trinken teuer, dann aber auch gut. Die cosa nostra- und Al Capone- Geschichte wird touristisch kultiviert, scheint aber nicht mehr tagesaktuell zu sein. Die Toten entstehen durch den leichtfertigen Gebrauch von Schusswaffen rivalisierender Banden in der Southside Chicagos.

Außer zwei Morgenläufen (am Lake Michigan und den Chicago River längs) haben wir unsere Beine weitgehend geschont.

Am Marathontag hat es leider geregnet. Start 7:30. Vorher die amerikanische Nationalhymne „The Star-Spangled Banner“ (nicht in der Jimi Hendrix-Version). Es hat also die ganze Zeit geregnet in den Variationen Schnürlregen (Salzburgtouristen kennen das) bis zum manifesten Wolkenbruch. Auf dem Lake shore drive kam noch Gegenwind vom Lake Michigan ( wie in Holland auf dem Deich) dazu.

Das Publikum war phantastisch. Anfeuerungschöre: „Great job runners !!“ Ich war „The Börlinmän“ (da mit Berlinjubileeclubshirt ausgestattet) – auch „great job.“ An einer Stelle verteilten Gutmenschen sogar Papiertaschentücher womit man sich Gesicht oder Brille vom Regenwasser befreien konnte. Viel Polizei, schwer bewaffnet, durch die Regenmäntel noch größer wirkende Chicago Bulls. Die Verpflegung alle 2 Meilen industriegesponsort (Gatorade). Vier Livebands (zweimal Rock , eine mexikanische Mariachigruppe, einmal Samba), Hiphop von der Musikkonserve. Die Strecke eher flach, Großstadtasphalt, Strassenschluchten, Vororte, Chinatown. Nach Zieleinlauf und schwerer Medaille gab es neben food für über 21jährige Finisher eine Dose Goose Island Beer, die man allerdings vor Ort leeren musste: Auf den Strassen Chicagos ist zwar das Tragen von Schusswaffen, aber nicht das von Bierdosen gestattet.

Dirk hat die Strecke trotz Wadenschmerzen in 4:02 Std. geschafft. Ich habe auch meine Komfortzone verlassen und war mit 4:51 Std. 21 Minuten schneller als drei Wochen vorher in Berlin.

P.S.: Dirk möchte erst wieder in 14 Jahren zum nächsten Marathon antreten.