Ultra Trail Sierra de Tramuntana- alles Kopfsache!?

Matthias Leffers hat seinen bisher größten und anstrengenden Lauf absolviert und beschreibt für alle Interessierten seine Eindrücke und Erlebnisse:

“Als mir mein Trainingspartner Jürgen vor einigen Monaten von einem 107 Kilometer langen Traillauf auf Mallorca erzählte, an dem er teilnehmen wollte, hielt ich ihn im ersten Moment für verrückt. Doch das hielt nicht lange an – nach einigem Überlegen entschied auch ich mich dafür, mich zum Ultra Trail Sierra de Tramuntana anzumelden.
Doch mit der Anmeldung allein war es nicht getan. Zu dem Lauf gehörte zunächst eine wahnsinnige Vorbereitung: Mindestens einmal in der Woche musste ich einen 50 bis 70 Kilometer langen Lauf hinter mich bringen. Darüber hinaus stand ein- bis zweimal die Woche eine Fahrt ins Siebengebirge an. Läufe über 26 Kilometer und 1000 Höhenmeter ließen sich hier hervorragend trainieren.
Insgesamt kam ich also in der Vorbereitungszeit auf den Ultra-Lauf auf ca. 135 Trainingskilometer in der Woche – die meisten davon in Begleitung von meinem Trainingspartner Jürgen.
Schließlich war er gekommen – der Tag, auf den wir uns monatelang vorbereitet hatten. Am Freitag, den 19. April 2013 flogen wir, Jürgen und ich, nach Palma de Mallorca. Unser Flug, der eigentlich für 18.05 Uhr geplant war, verspätete sich zunächst um ca. eine Stunde. Somit kamen wir erst um 21.30 Uhr in Palma an. Den Bus, der uns eigentlich zum Start in Andratx bringen sollte, hatten wir somit verpasst. Es blieb uns nur noch das Taxi. Nachdem dieses sich dann noch dazu zweimal verfahren hatte, kamen wir endlich am Start auf dem Rathausplatz von Andratx an. Viel Zeit blieb uns nun nicht mehr, um unsere Startunterlagen zu holen und unseren Rucksack so zu packen, dass wir während des Laufs ohne Weiteres auf alles Zugriff hatten. Außerdem mussten wir uns noch beflaggen: Dazu gehörten nicht nur die Startnummern, sondern auch das Befestigen eines GPSSenders am Fußgelenk, ein Chip am Handgelenk und auf der Rückseite der Startnummer. Was der GPS-Sender genau zu bedeuten hatte, sollte mir erst im Laufe der nächsten Stunden wirklich bewusst werden. Verpflichtend mitzunehmen waren außerdem eine Kopfleuchte, Ersatzbatterien,
der erwähnte Rucksack mit mindestens einem halben Liter Wasser, Essen, Verbandsmaterial, ein Handy, ein Edding (der alle Verpackungsmaterialien mit der Startnummer markieren sollte, die man bei sich hatte; wer seinen Müll dann auf die Wege wirft, kann identifiziert werden) und Getränkebecher für die Verpflegungsstationen. Empfohlen wurde darüber hinaus die Mitnahme von Nordic Walking-Stäben, einer Brille, einer Sonnenkappe und von Sonnencreme.
Als wir uns also fertig ausgerüstet hatten, blieben uns noch zehn Minuten, um uns kurz auszuruhen.

Um 24 Uhr begann dann der „Spaß“. Los ging es ziemlich moderat. Nach ca. 700 bis 800 Metern ging es dann aber schon in die erste Serpentine – über Felsen hüpfte ich dem ersten Berg entgegen, der auf 800 Höhenmeter anstieg. Insgesamt sollte der Lauf mich über 4300 Höhenmeter laufen lassen. Erst nach 19,7 Kilometern erreichte ich schließlich den ersten Verpflegungsstand (die nächsten folgten jeweils im Abstand von 16,3 km, 9,4 km, 9,4 km, 8,7 km, 9,5 km, 16,7 km, 17,2 km und schließlich am Ziel).
So ging es auch über die nächsten Kilometer weiter: Der Lauf gestaltete sich als ständiges Auf und Ab, nicht nur, was die Höhenmeter anging. Und auch die Länge war nicht das, was in erster Linie die Schwierigkeit des Laufes ausmachte. Vielmehr geht es um die psychische Anstrengung: Die ersten sechs Stunden läuft man in absoluter Dunkelheit auf absolut unwegsamem Gelände. Dabei handelte es sich nicht nur einfach um Schotterwege, sondern vor allem um Geröllpfade, oft um blanke Felsen, getreu dem Motto „Finde deinen Weg!“. Markierungen wie Flatterband oder Pfeile musste man suchen. So war ich die ersten sechs Stunden auf nichts anderes konzentriert als auf den Leuchtkegel, den meine Lampe vor mich warf. Mit den Gedanken abzuschweifen oder sich zu lange auf die wunderschöne Landschaft zu konzentrieren, hätte – nicht nur in der Dunkelheit – gefährlich enden können. Um einen Sturz zu vermeiden, war dauerhaft höchste Konzentration gefragt.
Wie es die Berge hoch ging, so ging es wieder runter – auf Geröll und am Abgrund vorbei. Zum Teil fragte ich mich, warum man diese Veranstaltung als „Lauf“ bezeichnete – hätte „Ultra-Hüpfen von Stein zu Stein“ nicht besser gepasst? Teilweise mussten wir über Felsen klettern, mithilfe von Leitern Zäune überwinden und über oder unter Baumstämme klettern oder kriechen.

Eine kleine Ruhestelle boten da die Verpflegungsstände. Auch hier war ich noch komplett konzentriert, brach aber auch jedes Mal wieder ganz ein – sowohl geistig als auch körperlich. Jedes Mal musste ich mich wieder aufrappeln, um weiter zu laufen.
Nach 107 Kilometern und einer Zeit von 17:20:47 hatte ich es endlich geschafft: Ich war gesund und völlig erschöpft im Ziel in Pollença angekommen.
Mit meiner Zeit belegte ich in der Gesamtwertung den 106. Platz, in meiner Altersklasse den zwölften Platz. Insgesamt kamen von 600 Teilnehmern nur 385 Läufer ins Ziel.
Dort angekommen nahm ich meine Sachen, fuhr mit dem Bus zu den Duschen und schließlich wieder zum Ziel zurück, um hier auf Jürgen zu warten, der den Lauf mit seinem Lauffreund Markus aus Köln bestreiten wollte. Die beiden kamen schließlich bei ca. 19 Stunden und 30 Minuten ins Ziel. Auch sie hatten den Lauf unterschätzt – und den Flug um 22 Uhr gebucht. Sie hatten also nur noch Zeit ihre Sachen zu holen, ins gemietete Auto zu steigen und zum Flughafen zu fahren. Bis dorthin begleitete ich sie noch, hatte meinen Flug aber erst für den nächsten Morgen um 7 Uhr gebucht – eine Nacht am Flughafen war also inklusive.

Alles in Allem kostete mich der Lauf 140 Euro. Dazu kamen die Kosten für den Flug, die sich auf 150 Euro beliefen. Hätte ich früher gebucht, wäre der Flug aber auch günstiger zu haben gewesen.

Insgesamt muss ich über den Lauf sagen, dass er unfassbar anstrengend war. Andererseits ist er landschaftlich aber auch wunderschön: Die Ausblicke auf das Meer sind immer wieder ermutigend. Und auch die Höhenmeter lohnen sich am Ende: Von hier oben schaut man mit anderen Augen auf Mallorca.
Eine Empfehlung für den 107 Kilometer langen Lauf würde ich nicht aussprechen – nur Freaks würden an so einem Lauf teilnehmen. Was man in diesem Zusammenhang schon eher weiterempfehlen könnte, ist der Lauf über 65 Kilometer, der erst um 8 Uhr morgens beginnt.”